Ganz wichtig beim Wein ist immer der Jahrgang. Ist das wirklich so? Ich finde, es kommt drauf an.
Der Wein in der Flasche spiegelt auf seine Art die Witterungsbedingungen des jeweiligen Jahres wider. Das Wetter ist ein entscheidender Faktor, ob die Trauben richtig reifen können und gesund sind. Reifes und gesundes Traubengut wiederum ist essentiell für die Weinqualität. Der Reifezustand der Trauben prägt die Charakteristik des Weines, also die Ausprägung von Säure, Zucker, Tanninen und Alkohol.
Dadurch sind Jahrgangsschwankungen in nördlichen Anbaugebieten wie bei uns in Europa häufiger und ausgeprägter als in Ländern mit wärmerem Klima, z.B. in der Neuen Welt. Dort wird das Ausreifen der Trauben durch die höheren Temperaturen leichter gewährleistet.
Somit ist klar, dass sich Jahrgänge keinesfalls weltweit allgemeingültig einstufen lassen. Auch Bewertungen für ein bestimmtes Land sind in der Regel zu undifferenziert, denn sogar innerhalb einer einzigen Weinregion gibt es zum Teil gravierende Unterschiede.
Moderne Kellertechnik hilft sicherlich dabei, auch in schlechten Jahren vernünftigen Wein zu produzieren. Weil aber die wichtigste Vorraussetzung für Qualität in der Flasche hochwertiges Traubenmaterial ist, muss der Winzer bereits bei der Arbeit im Weinberg wissen, was er tut, um auch in einem schwierigen Jahr guten Wein zu erzeugen.
Wer beabsichtigt, Weine zur Lagerung und als Investment zu kaufen, sollte auf jeden Fall auf den Jahrgang achten, da sich die Qualität der einzelnen Jahrgänge auf die Lagerfähigkeit der Weine auswirkt, und eben nur die besten Jahrgänge eine Wertsteigerung erfahren.
Wer sich aber gerne unvoreingenommen auf das Erlebnis, das im Glas wartet, einläßt, kann auch mal getrost zu einem schlechten Jahrgang greifen. Nur so lernt man die Unterschiede kennen – und wird vielleicht sogar positiv überrascht. Wie ich bei diesem Spätburgunder:
2010 Spätburgunder „Recher Herrenberg“, Jean Stodden, Ahr
Der Jahrgang 2010 galt an der Ahr als problematisch. Aber ich war neugierig, und außerdem zählt Stodden für mich zu den Winzern, bei denen ich davon überzeugt bin, dass er auch in einem schlechten Jahr etwas Gutes in die Flasche zaubert.
Klares, durchscheinendes Rubinrot glänzt im Glas. Er ist offen und zugänglich, mit fast intensiven Aromen nach roten Beeren, Sauerkirschen, Kaffee und Schokolade, zwischenzeitig unterlegt von leichter Kräuterwürze, Hustenbonbon und Pilzen. Seidige Textur im Mund, präsente Säure und mittlere Tannine, feuriger Alkohol, der aber perfekt eingebunden ist. Langer fruchtig-röstaromatischer Abgang. Trotz seiner Offenheit völlig unaufdringlich, trotz seines Feuers kühl, elegant und von katzenhafter Geschmeidigkeit. Ein ausgewogener, runder und leckerer Wein, der jetzt trinkreif ist.
Ein Wein aus einem schlechten Jahrgang kann also durchaus seinen Charme haben…
Ich kann da eigentlich nur zustimmen! Alle 2010er aus meinem Keller habe ich in ausnehmend guter Erinnerung. Auch von der Ahr, allerdings von Meyer-Näkel. Und dann gleich zwei:
https://ec1962.wordpress.com/tag/meyer-nakel/
Daher meine Erkenntnis: ein guter Winzer macht aus jedem Jahrgang was Schönes…
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